Gottesdienstpredigt vom 20.08.2023: “Einen Leib aus vielen Gliedern“ (1. Kor 12, 12-27)

Predigt zu 1. Kor 12,12,-27 – Gröne Stee Emden  – 20.8.2023 – Bert Gedenk

Liebe Gemeinde,

bestimmt ist Euch längst aufgefallen, dass heute Morgen etwas anders ist als sonst. Etwas Altes, viel Altes und dennoch ganz Neues schmückt hier vorne unseren Abendmahlstisch! Unsere neue Patchwork-Tischdecke! Viele aus der Gemeinde haben in den vergangenen Wochen und Monaten einen Stofflappen gespendet um diese Gemeinde-Decke realisieren zu können: alte T-Shirts, Hemden, Blusen, Sofakissen, Hosen, Taschentücher, Stofftaschen und andere Reste oder Kostbarkeiten habt Ihr zusammengetragen, damit diese Decke aus lauter bunten Flicken entstehen kann. Und eine „gute Seele“ aus der Gemeinde, die nicht genannt werden möchte, hat Eure Flicken mit viel Liebe, geschicktem Handwerk und sogar eigenen Ideen in tagelanger ehrenamtlicher Arbeit zu einem wahren Kunstwerk zusammengefügt! Am vergangenen Freitag hat sie uns den Schatz geschenkt. Und ich habe sie dafür in unser aller Namen in den Arm genommen und gedrückt.

Denn Sie selber ist ein Schatz unserer Gemeinde, auch für die Kleiderkammer, wo sie ebenfalls aus Altem ständig neue und wunderschöne Kleidung oder Taschen zaubert. Aus Freunde am Handwerk und aus Freude an einem nachhaltigen Leben, das nicht immer alles neu haben muss, sondern Ressourcen sparen möchte, um Klima, Umwelt und Kind wie Kindeskind zu schützen. Aber sie will gar nicht, dass man sie dafür lobt. Das ist ihr sogar unangenehm. Sie liebt es bescheiden und zurückgezogen. Umso mehr sind wir heute mit ihr und ihrer Decke verbunden.

Denn diese Decke ist eine einzige Predigt! Gleich vorne hat die Näherin vier Häuser eingesetzt, Orte, wo Menschen zusammenleben und Schutz finden. Vier Häuser vielleicht auch für die vier Himmelsrichtungen: die ganze Welt möge also von Nord bis Süd und von Ost bis West eine behauste, wohnliche Welt werden. Ebenso unsere Gemeinde: sie besteht aus vier Bezirken.

Die vier Häuser sind gerahmt von drei Bordüren, die Ihr nach dem Gottesdienst genauer betrachten könnt. Die von Euch aus gesehene linke Bordüre zeigt mit weißer Spitze verwoben ein rosa und ein blaues Bändchen. Symbole für die Geburt von Jungen und Mädchen und für die Taufe von Menschen als Gottes geliebte Kinder. Und die Gemeinde ist aller Heimat, fest und sicher sind Männer und Frauen in die bunte Decke hineingewoben. Welch ein Bild!

In der Mitte sehen wir eine rein weiße Spitzen-Bordüre. Sinnbild für alles Frohe und Helle im Leben, für Hochzeit und das Miteinander-Feiern überhaupt. Das Leben als Fest sehen und gestalten. Heilsame Unterbrechung des Alltags an jedem Sonntag. Innehalten und miteinander spüren, dass das Leben weitaus mehr und anderes ist als immer nur Plackerei, Druck und Leistung. Endlich wieder zur Ruhe kommen. Zu sich kommen. Zum anderen kommen. Und zu Gott, dem guten Urgrund des Lebens, der seiner Schöpfung diesen Ruhetag verordnet hat wie ein guter Arzt die heilende Medizin für seine Patienten.

Und dann noch die rechte Spitzen-Bordüre. Sie ist schwarz. Schwarz ist die Farbe der Eleganz. Aber auch des Leides, der Trauer, des Abschieds, die Farbe der Endlichkeit aller Dinge und auch meines eigenen Lebens. Auch Menschenleid und Trauer haben in dieser Decke, in diesem Haus und in dieser Gemeinde ihren Platz. Im Grunde ist ein Haus erst dann ein richtiges Menschen- und Gotteshaus, wenn Leid, Trauer und Tod und die Menschen, die das erleben, einen Raum darin finden und nicht ständig verdrängt und übersehen werden. Nicht umsonst bittet der Psalmbeter: „Herr lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ (Psalm 90,12) Du kannst nicht zum wahren Leben finden, wenn Du es ohne Anfang und Ende als Selbstverständlichkeit leben willst. Darauf liegt kein Segen. Aber jeden Augenblick als Geschenk Gottes erkennen, das gibt Tiefe, Sinn, das erdet und gibt Kraft…

Geburt und Taufe, Hochzeit und Feier, Abschied und Tod stehen zwischen den vier Häusern des Lebens. Und das alles wird jetzt gerahmt und umkleidet von vielen bunten Flicken in allen Farben und Mustern, aus allen Lebenslagen und aller Herren Länder, sogar aus Kapstadt in Südafrika (Lavender Hill)! Damit ist die Decke wirklich eine Predigt über die weltweite Gemeinde Jesu Christi.

Ich habe heute Morgen nicht umsonst die Schriftlesung von dem „einen Leib aus vielen Gliedern“ ausgesucht. (1. Kor 12, 12-27) Denn wenn man die Worte „Leib“ und „Glieder“ einfach durch „Decke“ und „Flicken“ ersetzt, fängt die Tischdecke sofort an, zu uns zu sprechen und wird zum Symbol für Gottes Gemeinde in der Welt:

Die Decke ist auch eine Decke, aber sie besteht aus vielen bunten Flicken. Jeder von Euch, liebe Gemeinde, ist so ein bunter Flicken, einmalig in Form, Farbe, Muster und Strich. Und wir alle sind nun zu einer einzigen Decke durch eine liebevolle Hand zusammengefügt worden! So unterschiedlich wir auch sind und bleiben, so gehören wir doch zu einer Decke zusammen!

Darum kann auch kein Flicken sagen: „Ich alleine bin die ganze Decke! Was brauche ich die anderen!“ So spricht der Hochmut, der immer noch glaubt, er könne ohne die Formen, Farben, Gaben der anderen leben.  Er habe an sich selbst schon genug. So ein Leben endet nicht nur in tödlicher Monotonie, sondern bald auch in Gewalt und Krieg. Denn welcher Flicken würde es sich schon lange gefallen lassen, als überflüssig und wertlos bezeichnet zu werden und nicht dazuzugehören? Darum haben Hochmut und Ausgrenzung im Leib Christi nichts zu suchen.

Aber auch nicht der Kleinmut! Dieser spricht: „Warum soll ich kleiner, hässlicher Flicken für die Decke schön und wichtig sein? Ich bin nicht bunt genug, nicht glatt genug, nicht fest genug. Ich bin überhaupt nicht genug. Die anderen sind alle viel wichtiger und schöner als ich. Darum kann ich auch ruhig wegbleiben!“ Dieser Kleinmut macht den Leib Christi ebenso kaputt. Sich selbst dem Leben und Zusammenleben mit anderen zu entziehen ist so ziemlich das Letzte was man sich selber und den anderen antun kann. Nein, es bleibt dabei: es ist eine Decke, aber viele unterschiedliche und zugleich unverzichtbare Flicken. Und erst zusammen bilden sie, bilden wir das Kunstwerk des Lebens, Gottes Kunstwerk des Zusammenlebens.

Doch nun denkt bestimmt jemand kritisch: „Aber das allein kann doch noch nicht alles sein mit dem Zusammenleben! Da fehlt doch noch etwas!“ Wie wahr!

Das entscheidende Geheimnis der Decke, das Geheimnis des einen Leibes Christi aus vielen Teilen fehlt noch. Die Antwort auf die Frage, was denn die vielen unterschiedlichen bunten Flicken in der Gemeinde als Hoffnung für die ganze Menschheit im Kern tatsächlich zusammenhält.

Für diese Frage hat die Menschheit sich schon so manches Lebensmodell ausgedacht. Wir kennen diese Modelle alle, mehr oder weniger, vielleicht nur unter anderen Namen. Gehen wir sie doch mal kurz miteinander durch:

Da ist z.B. das Lebens-Modell des „National-Sozialismus“. Alte Nazis, Neonazis und auch immer mehr in der AfD wünschen sich eine Gesellschaft, wo alle Flicken nur schwarz oder besser tiefbraun sein sollen. Und nur die „Harten kommen in den Garten“. Dann sei endlich Frieden, dann gelinge das Zusammenleben. Und wer nicht braun ist, der gehört auch nicht dazu. Der darf getrost beschimpft, misshandelt, abgeschoben oder zur Not auch erschlagen, ja ausgerottet werden. „Er ist ja nicht wie wir, die einzig guten Braunen!“

Merkwürdig nicht wahr, liebe Gemeinde! Dieses „Modell“ ist mit über 60 Millionen getöteter Menschen im 2. Weltkrieg doch längst geschichtlich gescheitert und als grausame Lebenslüge entlarvt! Und dennoch laufen zurzeit immer mehr Leute wieder in diese Richtung und gehen den braunen Bauernfängern auf den Leim. Ich möchte es heute als kleiner Flicken der einen Decke Christi mal ganz flapsig sagen, mit einem Spruch, den ich gestern aufs Handy gesendet bekam: „Man wählt einfach keine Nazis! Nicht aus Frust. Nicht aus Wut. Nicht aus Protest. Hatten wir schon mal. War Sch……!“ Den Rest denkt Ihr Euch bitte. Mehr kann ich dazu auch wirklich nicht sagen.

Dann gibt es auf der anderen Seite das Lebensmodell des Kommunismus. Der wünscht sich eine Gesellschaft, in der alle Flicken endlich gleich sind. Große Sehnsucht! Und alle Gleichwertigen haben auch endlich alle gleich. Noch größere Sehnsucht, vor allem der Armen. Aber leider soll man dort oft auch „gleichartig“ sein. Nur dann, wenn alle „rot“ sind, wäre wirklich Frieden. Dann erst würde es gerecht und menschlich auf der Welt zugehen. – Ich gestehe, liebe Gemeinde, in jungen Jahren länger mit diesem Glauben geliebäugelt zu haben. Denn wo Nazis Menschen vernichtet haben, haben Kommunisten auch hier in Emden viele Menschen mutig und zum Teil unter Einsatz ihres eigenen Lebens gerettet, mutiger als so mancher angepasste Christ. Aber auch Kommunisten haben immer wieder Andersdenkende weggesperrt, gefoltert oder getötet. Darum denke ich heute: In jeder Form von gelebter oder gar erzwungener Einfarbigkeit schlummert die Gewalt. Darum finde ich auch hier kein Zuhause.

Ein weiteres Lebensmodell sind immer noch der Kapitalismus oder die sogenannten Neoliberalen, Menschen, die an die Heilsmacht von unbegrenzter Freiheit, Geld und Privatbesitz glauben. Sie träumen von einer Welt, in der alle Flicken nur noch fett und gold sind. Und der eigene Flicken soll natürlich der Größte und Goldigste sein. Darum kennen und können Kapitalisten keine Gemeinsamkeit, kein Zusammenhalten, nur endlosen Konkurrenzkampf. Sie glauben: Wer was hat, der sei auch was, und die anderen kann man ohnehin getrost vergessen oder bekämpfen, um selber immer oben zu stehen. Zu diesem Lebensmodell hat Papst Franziskus bereits alles Notwendige in nur drei Worten gesagt: „Dieses System tötet“.

Und wer das immer noch nicht wahrhaben will, der möge den Klimawandel und die globale Zerstörung von Mensch und Natur für immer noch mehr privaten Profit umso härter spüren. Anders kann ich es nicht mehr sagen, als mit den Worten des Paulus: „Gott lässt sich nicht spotten! Was der Mensch sät, wird er auch ernten.“ (Gal 6,7) Gott ist sich und uns so treu, dass er uns auch den Konsequenzen unserer gottlosen Verirrungen aussetzt. So viel Erwachsenwerden mutet Gott uns schon zu.

Ein weiteres Modell des Zusammenlebens ist der Humanismus. Die Humanisten und Idealisten sagen gegen den Kapitalismus, dass alle Flicken, obwohl so unterschiedlich, doch gleich viel wert sind. Der Humanismus hat große Verdienste. Allerdingst bleiben merkwürdigerweise auch bei den größten Humanisten immer wieder einige Flicken „etwas gleicher“ als die anderen. Auch hier bleibt die Frage letztlich offen, wie denn Gleiche auch Gleiche in Unterschiedlichkeit bleiben können und keine neuen Unterdrücker, vielleicht sogar im Namen des Humanismus werden.

Relativ neue Modelle für unser Zusammenleben vertreten die Anhänger der Multikulti-Gesellschaft oder der Queeren Szene. Sie finden den bunten Flickenteppich einfach super.  Jeder soll so bunt und exotisch leben und sein dürfen, wie er oder sie oder jemand dazwischen es möchte. Die ganze Welt soll ein einziges Regenbogenhaus des Friedens werden. Eine zunächst sehr sympathische Vorstellung, sie hat durchaus große Ähnlichkeit mit dem Leib Christi und unserer bunten Patchwork-Decke. Allerdings frage ich mich je länger je mehr, ob hier nicht jeder bunte und exotische Flicken letztlich doch nur ganz lose und unverbunden neben all den anderen liegt. Es wird mir in der Multikulti-Szene kaum deutlich, wie die einzelnen Flicken denn zu einer Decke verbunden werden können, die nicht nur kunterbunt ist, sondern auch zusammenhält! Viel bunte Individualität ist zu sehen aber auch individualistische Selbstvergötterung. Wo aber finde ich gelebte Fürsorge für den anderen?

Und noch etwas: Es gibt Menschen in der Queeren Szene, die uns vorschreiben möchten, jetzt nicht mehr „Schwarze“ und „Weiße“ sagen zu dürfen, auch nicht mehr „Frau“ und „Mann“. Das allein sei schon rassistisch oder sexistisch, stigmatisierend und ausgrenzend. Diese Diskussionen haben wir mitunter auch zu Hause mit unseren Töchtern am Küchentisch. Ich fürchte, dass mit der berechtigten Sorge um die Persönlichkeit bei uns Menschen die tatsächlichen bestehenden Unterschiede zugunsten einer gewollten Einheit einfach verwischt, ausgeblendet oder gar geleugnet werden. Mancher meint, die Zertrennung einfach dadurch aufheben zu können, indem man die Worte der Unterscheidung verbietet. Viele empfinden den Maulkorb mittlerweile als moralische Tyrannei. Und der tägliche Rassismus geht dennoch weiter. Was hilft uns das also?  Unterschiedlich zu sein heißt ja noch lange nicht, unterschiedlich wert zu sein! Ich fürchte: Wenn wir die tatsächlichen Unterschiede zwischen uns Menschen einfach für ein mehr an Einheit und Frieden leugnen, finden wir trotzdem noch lange nicht zueinander! Unser Leben als Individuen lebt geradezu von der Unterscheidung. Ohne „Ich“ kein „Du“, ohne „Wir“ auch kein „Ihr“. Wir Menschen sind und bleiben unterschiedlich und dennoch gleich wert, wie die Flicken dieser Decke. Wir sind ein Leib und viele Glieder, eine Decke aber viele Flicken. Aber wie finden und halten wir dann zusammen? Welches Lebensmodell hilft uns weiter als die schon beschriebenen?

Hören wir an dieser spannenden Stelle doch noch einmal die drei entscheidenden Gedanken bei Paulus (1. Kor 12, 12-27):

Das erste Geheimnis für ein gelingendes Zusammenleben: Nicht wir Menschen, „Gott hat den Leib aus vielen Gliedern zusammengefügt“ (1. Kor 12,24a) und jedem Flicken aus Liebe seinen ganz eigenen Ort zugewiesen. Nicht unsere Maßstäbe, sondern Gottes Maßstäbe bewirken unser Zusammenleben. Das gilt es erstmal nur zu erkennen und anzunehmen. Wie die liebevolle und kunstvolle Hand unserer Näherin die Decke zusammengefügt hat, so hat Gott uns Menschen in seiner Gemeinde zusammengefügt. Genauer: Weil Christus für alle Flicken, und selbst für den letzten Lumpen und Schmutzlappen sein Leben gegeben hat, aus Liebe zu allen Menschen, ist unsere Einheit uns also schon vorgegeben, schon geschenkt, durch Christi liebevolle Selbst-Hingabe an Jede und Jeden. Diesen Zusammenhalt allein durch Gott können und sollen wir als Christen der ganzen Welt bezeugen und vorleben! Jeder Mensch ist uns darum zunächst willkommen, niemand ist als Mensch, als Person ausgegrenzt. Menschenverachtende Ansichten und Grundhaltungen dagegen sehr wohl!

Das zweite Geheimnis für ein gelingendes Zusammenleben: Wie Christus allen Menschen dient, so dient in seinem Leib ein jeder Flicken den anderen um ihn herum mit seinen Farben und Gaben und seinem ganzen Dasein. „Ein jeder diene dem anderen mit seinen Gaben“ statt übereinander herrschen zu wollen. Fürsorge verdrängst hier das bloße Nebeneinanderher. Ich bin hier nicht nur für mich da. Ich muss auch nicht immer ein anderer oder woanders sein wollen. Ich bin ich und an meinem Ort da, um anderen mit meinen persönlichen Gottes-Gaben zu helfen, ihr Leben durch meines zu bereichern! Andere durch meine Farben ebenfalls gut aussehen zu lassen, damit schließlich die ganze Decke eine Zierde ist. Und zwar aus purer Lust und Freude.

Das dritte und letzte Geheimnis drückt Paulus so aus: „Gott hat den Leib (die Decke) zusammengefügt und dem geringeren Glied (Flicken) höhere Ehre gegeben.“ Begründung: „Damit im Leib keine Spaltung sei.“ (1.Kor 12, 25a) Damit die Decke also keinen Riss bekommt.

Ist doch eigentlich auch ganz logisch, oder? Wenn wir im Streit an den zwei Enden der Decke ziehen – was wir hoffentlich nie tun werden – dann wird die Decke genau bei dem Flicken aufreißen, wo der Stoff am dünnsten ist, der Faden am schwächsten, das Gewebe am zartesten oder am ältesten. Mit anderen Worten: Das Geheimnis des Zusammenhaltes zwischen uns Menschen – egal ob in der Gemeinde, in der Schulklasse, am Arbeitsplatz, im Verein, in der Familie und Nachbarschaft oder sonst wo – besteht darin, dass wir nie vergessen, dass die Schwächsten, egal wo wir sie ausmachen, die Wichtigsten sind! Geht es den Schwächsten dieser Welt gut, geht es uns allen gut, können wir uns alle sicher fühlen. Und bedenke: Ich und du, wir alle sind mal stark und mal schwach, jeden Tag wieder anders!

Liebe Gemeinde, damit aber sind vor unserem Gott eben nicht alle Menschen gleich! Auch bei ihm sind einige tatsächlich „gleicher“, jedenfalls in seiner Aufmerksamkeit und Achtung: Die Schwächeren! Aber nicht etwa, weil sie die besseren Menschen wären. Nur deshalb, weil ohne ihre besondere Wertschätzung früher oder später alles auseinanderbrechen wird! Da kann unser Grundgesetz noch so sehr von der gleichen Würde aller Menschen sprechen. Unter der Hand geht die Schere zwischen Arm und Reich trotzdem immer grausamer auseinander. Nicht der allgemeine Humanismus, sondern allein die Achtung der besonderen Ehre der Schwachen Gottes kann diese wachsende Spaltung unter uns überwinden.

Darum, liebe Gemeinde, kann es uns als Leib Christi völlig egal sein, ob jemand Mann oder Frau oder etwas dazwischen ist. Mir ist als Flicken in seiner Decke auch egal, ob jemand schwarz oder weiß oder lila ist. Aber ich will es dennoch sagen dürfen, wie jemand ist. Mir ist von Paulus her auch ziemlich gleichgültig, was jemand sonst noch persönlich, religiös, gesellschaftlich oder politisch glaubt oder darstellt. Ich frage ihn und sie, ich frage alle und vor allem mich selbst immer nur dieses Eine: „Wie hälts Du es mit denen, zu denen niemand hält? Wir hälts Du es mit Gottes wichtigsten Menschen?“ Dann bin ich, dann sind wir auf dem Weg des Heils, des gerechten Friedens und des echten Zusammenwachsens und Zusammenhaltens!

Ihr, Liebe Gemeinde, „Ihr seid dieser Leib Christi und jeder von euch ein Glied!“ (1. Kor 12,27) Ihr verkörpert mit Eurem Dasein Christus. Ihr seid die Stellvertreter Christi auf Erden! Nicht nur der Papst ist das, nicht nur Bischöfe, Kirchenpräsidenten oder PastorInnen. Funktionäre braucht der Leib Christi vielleicht am wenigsten. Unsere Decke braucht keinen Oberflicken oder Vortänzer. Ihr alle zusammen seid bereits Christi Leib! Nichts weniger sagt Paulus auch Euch heute Morgen mit diesem Bild. Und nicht mehr und nicht weniger möchte uns dieses handwerkliche Liebeswunder auf dem Abendmahlstisch vergegenwärtigen: Wir sind ein wunderbares Tuch mit vielen kunterbunten Flicken aus aller Welt, zusammengehalten von dem, der gerade den farblosesten, knittrigsten oder fadenscheinigsten Flicken besonders liebt, zum Schutz von uns allen, damit aus einer Welt der Spaltungen wieder ein versöhnter Zusammenhalt der ganzen, doch so unterschiedlichen Menschheit wird. Das haben wir als Gemeinde der Welt im Kleinen wie im Großen in Wort und Tat zu bezeugen. Gebe Gott, dass wir darin weiter wachsen und aufblühen als eine Gemeinde aus vielen Gliedern und Flicken, aber immer mit dieser liebevoll geschenkten, stoffgewordenen Einheit auf unserem Abendmahlstisch!  Amen