Rede Ostermarsch im Emder Stadtgarten 30.03.2024,
von Bert Gedenk.

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Vorwort:

Ich bedanke mich für die freundliche Begrüßung und Einladung, hier sprechen zu dürfen. Und ich sage es gleich vorweg: was ich sagen werde, sage ich nicht für oder gegen eine Partei. Ich weiß um die Zerrissenheit auch dort. Was ich sage, sage ich aus rein inhaltlichen Gründen, weil es meiner Meinung jetzt gesagt werden muss!

Denn, Liebe Friedensfreundinnen und -freunde

die vielen Toten, Verstümmelten und ihre Angehörigen lassen mir einfach keine Ruhe mehr. Zehntausende in Israel/Palästina, Hundertausende in der Ukraine und Russland, Soldaten, Zivilisten, Kinder… Die Toten und ihre Ange-hörigen lassen mir auch deshalb keine Ruhe mehr, weil mein ganz persönliches Steuergeld täglich mithilft beim Töten. Seit Jahrzehnten liefern alle unsere Regierungsparteien Israel Waffen, auch U-Boote aus Kiel und Emden. Den Palästinensern liefern wird dagegen das Verbandsmaterial für ihre Krankenhäuser und sind auch noch stolz auf die Hilfe. Und da wundern wir uns noch, wenn diese zynische Doppelzüngigkeit jetzt fürchterlich hochkocht? Urteilen wir lieber über uns selbst, als über die, die sich auch durch unsere „Vorarbeit“ nun gegenseitig zerfleischen.

In der Ukraine ist unser Land nach den USA größter Waffenlieferant geworden. Der Tod ist seit langem wieder ein „Meister aus Deutschland“. (P. Celan) Es sei ja „alles nur für den Frieden“, hämmert uns die Propaganda auf allen Kanälen ein. Aber was geschieht wirklich?

Wir erleben zur Zeit eine in der deutschen Nachkriegsgeschichte lange schon gewachsene, aber durch den Ukrainekrieg nun akut angeheizte, beispiellose Militarisierung des Denkens und Handelns in Politik, Kirche und Gesellschaft. Aus der doppelten Nachkriegsweisheit „Nie wieder Faschismus!“ UND! „Nie wieder Krieg!“ ist ein „Wir-müssen-jetzt-und-in-Zukunft-Krieg-führen-um- Frieden-und-Freiheit-zu-schützen!“ geworden. Ein Widerspruch in sich selbst!

Jede Kriegslogik und Kriegsführung ist das Ende von Wahrheit, Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit. Welche Gewalt auch immer, die zum Angriff und leider auch die zur Verteidigung erzeugt immer nur weitere, endlose Gewalt. Aber die Waffengläubigen an allen Fronten können oder wollen das nicht einsehen!

Uns alle treibt heute die tiefe Sehnsucht nach Frieden auf die Straße, da bin sicher. Aber von welchem Frieden reden wir? Frieden ist und bleibt von seinem Wesen her ein ständiges „Wagnis“ der gewaltfreien und damit verwundbaren Begegnung mit meinem Gegner, auch und gerade mit meinem Feind. Friede kann niemals mit Waffen gewonnen oder „gesichert“ werden! „Frieden ist das Gegenteil“ von jeder Form militärischen Sicherheitsdenkens. (D. Bonhoeffer) Wir können Sicherheit immer nur mit dem Gegner und Feind wagen und aufbauen, durch eigene gewaltfreie Vorleistungen, die Vertrauen stiften, aber niemals mit Gewaltmitteln, die weiter nur Angst und Schrecken erzeugen.

Aber ich denke, darum geht es schon lange nicht mehr bei unserem politischen Führungspersonal. Lasst mich das an drei Beispielen aufzeigen:

Wie unser Verteidigungsminister längst zum Kriegsminister mutiert ist, haben wir soeben von Michael Schunk gehört. Wir wollen ihn und uns alle darum nochmal an das wegweisende und höchstverbindliche Vorwort unseres Grundgesetzes erinnern, auf das er für uns alle seinen Eid geschworen hat! „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“ (Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland)

Uns alle nun „kriegstüchtig“ (B. Pistorius) machen zu wollen, ist von daher ein Angriff auf die demokratische Friedensordnung unserer Gesellschaft, ganz Europas, ja, der Welt – und zugleich ein Verrat an der Seele seiner eigenen Partei, die doch immer schon wusste, dass die Zeche jedes Krieges vor allem wieder die kleinen Leute zahlen, während die Kriegsherren und ihre Finanziers sich wie eh und je in warmen Kissen wälzen.

Als zweites höre ich unseren Bundespräsidenten sagen, wir sollen den Vereinigen Staaten jetzt „nicht in den Arm greifen“, (F.-W. Steinmeyer) wenn sie jetzt wie Russland völkerrechtswidrige Streubomben einsetzen. Ja, wir haben richtig gehört! Das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland fordert Regierung und Volk zur Duldung eines klaren Rechtsbruches auf, der den Krieg noch grausamer und den Frieden noch unwahrscheinlicher macht! Noch mehr: Er ruft uns alle zur Missachtung des Grundgesetzes auf, denn das Völkerrecht ist untrennbarer Bestandteil unserer Verfassung! Darum frage ich ernsthaft: Kommt die Gefahr für Frieden und Demokratie z.Zt. wirklich nur von Rechtsaußen wenn unser demokratisch gewähltes Führungspersonal selber die gültige Rechts- und Friedensordnung Stück für Stück schreddert?

Schließlich unser Bundeskanzler. Eine kleine Gruppe von besorgten friedlichen Demonstranten gegen seine Militärpolitik hat er in München öffentlich als „gefallene Engel“ bezeichnet die „aus der Hölle kommen, weil sie letzt-endlich einem Kriegstreiber das Wort reden.“ (O. Scholz, 27.August 2023, Marienplatz München) Jener Kanzler, der bei seinem Amts-Eid vielleicht aus guten Gründen auf den Gottesbezug verzichtet hat, spielt sich nun selbst zum Gott auf, der allein genau zu wissen scheint, wer aus der Hölle kommt und wer nicht. Religion als Machtmissbrauch, wie bei Putin! Die große Keule der Moral, wenn die eigenen Argumente fehlen. Und ein Denkmuster in Schwarz-Weiß, in: wir die Guten und dort die Bösen, mit dem der Kanzler jeden demokratischen Diskurs erstickt und Volk und Partei tyrannisiert und spaltet! Das alles sind klare Anzeigen von Kriegslogik und Kriegskultur an der Spitze unserer Regierung!

Wir haben eben zurecht gehört, dass es der Westen (!) war, der ein mögliches, schnelles Ende des gegenseitigen Abschlachtens in der Ukraine schon im März 2022 aktiv verhindert hat! Sollten wir da nicht auch mit dem Wort „Kriegstreiber“ etwas vorsichtiger umgehen?

Die drei Beispiele sind keine verbalen Aussetzer mehr, das alles gehört zum System der Kriegslogik, in der unsere Regierenden parteiübergreifend schon lange gefangen sind. (Die Opposition, die sich „christlich“ nennt, übrigens noch länger!)

Die Vordenker dieser Kultur finden wir auf der Seite des Westens in den Strategiepapieren der USA aus den letzten Jahrzehnten. Selbst der NATO-Generalsekretär musste nun indirekt in einem Interview zugeben, dass die mit Russland nicht abgestimmte NATO-Osterweiterung Russland zum Krieg gegen die Ukraine provoziert hat! (J. Stoltenberg) Und dennoch hören sie mit dem Krieg nicht auf! Warum?

Die westliche Politik hat sich in weiten Teilen offenbar längst entschieden, dass die Globalisierung und der Kampf der Menschheit um die letzten Energien und Rohstoffe der Erde für unsere unersättliche Wachstumswirtschaft nur noch mit Gewalt zu führen sei, am besten an der Seite der größten Kriegsmaschine, die die Menschheit je gesehen hat. Die USA haben im Jahr 2022 rund 800 Mrd. Dollar nur für ihr Militär ausgegeben, das zehnfache Russlands! Unter diesem trügerischen „Schutzschirm“ soll es nun in die Zukunft gehen.

Die Ukraine ist dabei längst zum Schuldsklaven des Westens geworden. Westliche Konzerne wie BASF und Monsanto kaufen gerade die ertragsreichen Böden der Kornkammer Ukraine auf. Und der Sohn von Präsident Biden führt schon seit 2014 den größten ukrainischen Gaskonzern an. So sieht nach westlichem Muster die sogenannte „Befreiung der Ukraine“ aus. Lernt der gutgläubige aber blinde „Biedermann“ darum noch vor dem nächsten und dann vielleicht letzten Weltenbrand, dass er die „Brandstifter“ auch im eigenen Hause hat? (M. Frisch) Das zu sagen ist kein „Anti-Amerikanismus“, auch diese Moralkeule verfängt nicht mehr. Wir sind nicht gegen Amerika, nur gegen seine eigensüchtige Machtpolitik. Das ist die schlichte Wahrheit, die aber nur wenige hören wollen, weil sie immer noch fest an diesen „Schutzschirm“ und seine Propaganda glauben. Konkret bedeutet dieser vermeintliche Schutzschirm aber für uns in Emden, dass unser Hafen weiter genutzt wird für weltweite Militäreinsatze, wie gerade beim größten NATO-Manöver der Geschichte geprobt. Damit wäre unser Emden aber nicht nur eine „Drehscheibe“ militärischer Machtpolitik, sondern künftig auch eine hochsensible „Zielscheibe“ für jede terroristische oder staatliche Gegengewalt. Wollen wir das alles? Was sagt die Hafenwirtschaft zu diesem selbstgemachten Gefahrenpotential? Was der Emder Rat? Die Verwaltung?

Höchst bedenklich ist bei allem: es gibt z.Zt. auch im Berliner Parlament keine wirkmächtige, gewaltfreie Friedensarbeit mehr, eine Politik, die auf Interessenausgleich, Diplomatie, Entspannung und Abrüstung setzt, auch auf eine Kultur der gepflegten Selbstkritik. In diesen Tagen kam zwar ein vorsichtiger und guter Vorschlag aus dem Parlament, den Krieg in der Ukraine doch lang-sam „einzufrieren“. (R. Mützenich, SPD) Aber welche Chance hat er ernsthaft, wenn ein erklärtes Kriegsziel der USA auch darin besteht, Russland so lange wie möglich und nachhaltig zu schwächen, damit es als Konkurrent keine Chance mehr hat?

Ich bin darum gewiss, liebe Friedensfreundinnen und -freunde, wir stehen an einem Scheide-Punkt in unserer Demokratie, wo wir als friedliebende Bevölkerung unseres Landes wieder selber anfangen müssen, Demokratie und Frieden aktiv zu verteidigen. Wir müssen ein ganz neues Konzept von Frieden und Sicherheit suchen und entwickeln, damit die globalisierte Welt nicht in einem Dauerkrieg des „Jeder-gegen-jeden-und-der-Stärkste-gewinnt-am-Ende-auch-nichts-mehr“ versinkt. Wir brauchen eine neue, globale Wirtschaftsordnung, die von Solidarität und Kooperation statt von Konkurrenz geprägt ist, eine Ordnung des „Genug für alle“. Das aber heißt eben für viele in unserem reichen Land: „Weniger ist mehr“!

Wir brauchen eine geistreiche Politik, die alle Güter dieser Welt gerecht verteilt, und die Armen der Welt kommen in allen Belangen stets vor den Börsenspekulanten! Nur Gerechtigkeit für die Armen schafft wirklich Sicherheit, Vertrauen und Frieden für alle.

Wir brauchen den Abschied vom Irrglauben eines Schutzschirms durch eine militärische Großmacht oder jetzt auch noch durch eine „europäische Atom-bombe“. Welch ein Irrsinn! Die Stärke Europas als Region der unterschiedlichsten Völker und Nationen war immer die Diplomatie, der politisch organisierte Ausgleich von Interessen. Warum bauen wir unsere eigene Stärke nicht weiter aus und sind auch stolz darauf?

Und wir brauchen für die Sicherung von Frieden und Demokratie eine ganz neue Form der Wehrhaftigkeit, wehrhaft nach innen und nach außen. Wir brauchen ein Konzept, wie es z.B. die deutsche Initiative „Wehrhaft ohne Waffen“ (vgl. Homepage „Kurve Wustrow“) gerade entwickelt und verbreitet. Neulich hat das Emder Friedensforum einen ersten Abend zu dieser Form der sozialen Verteidigung organisiert. Es sind weitere geplant. (Wer Interesse hat, kann sie hier gleich in eine Liste eintragen und wird künftig dazu eingeladen.)

„Wehrhaft ohne Waffen“ ist keine naive Illusion, sondern die einzige alternative Option für eine wehrhafte und zugleich friedliche, demokratische Zukunft hier und weltweit. Ostfriesland kann sogar eine Modell-Region werden, dieses „Wehrhaft ohne Waffen“ mit vielen gesellschaftlichen Playern vor Ort einzuüben. Dazu braucht es aber Menschen, die die Komfortzone aus Resignation oder Bequemlichkeit endlich verlassen. Dazu braucht es uns alle, jeden von uns! Ja, es braucht ein eigenes Opfer, es braucht Leidenschaft, Energie und Zivilcourage gegen die zu erwartenden Anfeindungen, um gewaltfrei und wehrhaft zugleich gegen die erklärten Feinde von Gerechtigkeit, Frieden und Demokratie drinnen und draußen aufzustehen.

Wenn in der Politik weiterhin Unrecht zu Recht umgebogen wird werden wir auch über neue Formen des gemeinsamen zivilen Ungehorsams reden müssen! Natürlich gewaltfrei, was denn sonst. Aber wehrhaft ohne Ende bis wir am Ziel sind. Proben wir endlich gemeinsam vernetzt den gewaltfreien Aufstand gegen die grassierende Kultur des Todes!

Ja, der „Friede braucht Bewegung“. (Motto Ostermarsch Ostfriesland 2024) Er braucht vor allem, dass wir uns selbst für den gewaltfreien und gerechten Frieden wehrhaft bewegen und organisieren! Ich denke: Wir sind es all den ungezählten Toten, uns selbst und unseren Kindern und Kindeskindern einfach – schuldig.

Ich danke Euch fürs Zuhören!

Bert Gedenk

Friedensforum Emden

 

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Friedensforum Emden, Rede Schlusskundgebung Ostfriesischer Ostermarsch von Bert Gedenk

im Emder Stadtgarten am Samstag, 08.04.2023

 
Liebe TeilnehmerInnen am ostfriesischen Ostermarsch 2023!
Schuldhafter Pazifismus oder schuldhafter Militarismus. Wir alle spüren wohl mehr oder weniger ähnlich wie Carl Osterwald und Jannik Vogler diese Zerrissenheit seit dem verwerflichen Angriff Russlands auf die Ukraine.
Und dennoch können und dürfen wir uns in diesem Dilemma nicht einrichten. Die Toten dieses Krieges und aller Kriege erlauben es uns einfach nicht. Sie fragen die Politik, sie fragen uns alle: Warum? Wozu? Wo ist der Ausweg aus diesem Dilemma? Wo die Alter­native, wenigstens für die Überlebenden, für die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder? Soll das denn immer so weiter gehen? Gewalt und Gegengewalt und wieder Gewalt und Gegengewalt?
Und wir wären keine Oster­marschiererInnen mit guter Termin-Tradition zwischen Karfreitag und Ostersonntag, zwischen der globalen Ge­waltkultur einerseits und ihrer radikalen Überwindung zu neuem, gewaltfreiem Leben andererseits, wenn wir der Zweideutigkeit und den Gräbern der Gewalt das letzte Wort und Recht überließen!
Ja, das Völkerrecht sieht die Selbstverteidigung eines überfallenen Landes als noch einzig legalen Grund für die Anwendung militärischer Gewalt vor. Gewalt zur Selbstverteidigung, die ist legal! Aber dennoch haben wir immer zugleich zu fragen: Ist sol­che Gewalt auch legi­tim? Ist sie jeweils angemessen? Verhältnismäßig? Ver­antwortlich? Klug? Friedenstriftend? Zukunftsweisend? Bringt Gewalt zur Selbstverteidigung am Ende Rettung oder nur noch mehr Verder­ben?
Gerade der, der Gewalt einsetzt, um schlimmere Gewalt zu verhin­dern, steht unter besonderer Verantwortung und Rechtferti-gungspflicht vor Gott, dem Grundgesetz und allen Menschen. Das lernt jeder Polizist, wenn er an der Waffe ausgebildet wird, zurecht. Denn jede Gewalt neigt zur Eskalation, auch die zur Verteidigung von Recht und Frei­heit! Jetzt, in der Ukraine neigt sie sogar bis zum dritten und dann vielleicht letzten, atomaren Weltenbrand gegen die ganze Menschheit, und sei es nur aus Versehen oder ausgebrannter Kriegsmüdigkeit. 
Wer diese begründete Angst der Menschen als „Pu­tinversteherei“ verunglimpft, der hat damit schon bewiesen, dass er die Verantwortung von Gewalteinsätzen weder begriffen hat, noch überhaupt imstande ist, diese Verantwortung wirklich zu tragen. Er verdient, dass wir ihm unser ganzes Vertrauen sofort entziehen!
Der Karfreitags- und Ostermensch weiß und sagt: „Wer das Schwert auch zu seiner Verteidigung oder zur Verteidigung seiner Freunde ergreift, wird durch das Schwert umkommen.“ (Mt 26,52) Dieses Wort ist nicht gegen die einfachen, überfallenen Men­schen in der Ukraine gesagt, schon gar nicht als ih­re Belehrung von außen. Dieses Wort ist vielmehr uns allen gesagt, der ganzen Menschheit, auch der Regierung in der Ukraine! Damit wir unsere Hoffnung nicht auf die falschen Retter setzen!
Die falschen und die wahren Retter:  In meiner eigenen Ratlosigkeit und Zerrissenheit habe ich Hilfe gesucht bei einem guten, alten Freund der Friedensbewegung. Vor über 2700 Jahren schon hat der Prophet Jesaja (Kapitel 31) in ganz ähnlicher Situation wie wir heute seinem Volk und damit der gan­zen Menschheit, vor allem den religiösen und politischen Eliten eines Landes, ins Gewissen geschrieben: Auch wenn ihr militärisch noch so bedroht seid, vertraut keiner anderen militärischen Großmacht zu eurer Rettung, zu keiner Zeit! Egal, wie modern und schlagkräftig ihre Waffen auch sind!  Egal, ob sie autokratisch daherkommt, die Großmacht, oder demokratisch legitimiert ist! Großmächte sind und bleiben prinzipiell aufgeblasene Nichtse. Keine Großmacht hat in der Geschichte je überlebt und wird je überleben! Und kein Land, das von einer Großmacht beschützt wird, wird bestehen bleiben, so Jesaja! Warum? Großmächte, so Jesaja weiter, können letztlich nur sich selbst lieben und anbeten und auf Kosten anderer ihr gewaltsam Angehäuftes gewaltsam sichern. Sie können nicht teilen, den Menschen nicht selbstlos dienen, nur mit Eigensinn und Eigensucht andere nur für ihre unheiligen Zwecke benutzen. Darum warnt Jesaja: „Wehe euch, die Ihr eure Sicherheit auf Großmächte und Ihre Waffen setzt! Ihr werdet alle miteinander verderben!“
Harald Kujat, der ehemalige Generalin­spekteur der Deutschen Bundeswehr, also höchster deutscher General a.D., und jahrelanges Mitglied im NATO-Russland-Rat, bestätigt uns jetzt diese alte Weisheit und Warnung Jesajas! Als Insider der Macht weiß er, wovon er spricht. Im Ruhestand kann er offenbar noch freier reden. Am 18. Januar dieses Jahres hat Kujat in einem Schweizer Interview gesagt: (https://zeitgeschehen-im-fokus.ch/de/newspaper-ausgabe/nr-1-vom-18-januar-2023.html)
„Viel­leicht wird einmal die Frage gestellt, wer diesen Krieg wollte, wer ihn nicht verhindern wollte und wer ihn nicht verhindern konnte.“ Noch deutlicher sagt Kujat: „Nach zuverlässigen Informationen hat der damalige britische Premierminister Boris Johnson am 9. April 2022 (also wenige Wochen nach Kriegsbeginn, d.V.) in Kiew inter­veniert und eine Unterzeichnung (des damals schon mit Russland und der Ukraine gemeinsam ausgehandelten Friedensvertrages, d.V.) verhindert. Seine Be­gründung war, der Westen sei für ein Kriegsende nicht bereit.“ Der Westen! Der englischsprachige Westen, und die anderen ließen sich offenbar mitziehen, auch die Ampel Berlin!
Dazu speziell General Kujat: „Einige Politiker rechtfertigen…(deutsche Waf­fenliefe­rungen an die Ukraine, d.V.) sogar mit dem unsinnigen Argument, dass un­sere Freiheit in der Ukraine verteidigt würde… Aber die beiden Hauptakteure in diesem Krieg sind Russland und die USA. Die Ukraine kämpft auch für die geopolitischen Interessen der USA… Deren erklär­tes Ziel ist es, Russland politisch, wirtschaftlich und militärisch so weit zu schwächen, dass sie sich dem geopolitischen Rivalen zu­wenden können, der als einziger in der Lage ist…die US-Vormachtstellung als Weltmacht zu gefährden: China.“   
Nach diesen offenen Worten des ehe­mals höchsten deutschen Generals besteht für mich kein Zweifel mehr, dass unsere deutschen Waffenlieferungen, die offenbar noch jahrelang so weiter­gehen sol­len – darauf werden wir ja gerade medial eingeschworen – keine „Hilfe“ für die Menschen in der Ukraine sind. Sie sind der Fluch ihres und vielleicht auch unseres Verderbens! Es war für einen Mann wie Kujat oder auch für das SPD-Urgestein Klaus von Dohnanyi (vgl. dazu K.v. Dohnanyi, Nationale Interessen, 2. Aufl. Jan 2022) schon lange vor dem Krieg klar, dass die durch westlichen Wortbruch gegenüber Russ­land vorangetriebene NATO-Osterweiterung unter hochmütiger Missachtung der russischen Sicherheitsbedürfnisse ein schwerer politischer Fehler des Westens war.
Ich weiß, das alles kann und darf den Angriffs-Krieg Putins niemals recht­fertigen. Aber es muss uns selbst doch erschrecken, dass der Frieden und die Sicherheit von Millionen, von uns allen in Deutschland und Europa, auch durch die Feindbildpflege zur Machterweiterung der USA und zum Selbsterhalt der NATO als ver­meintlicher „Weltpolizei“ sträflich aufs Spiel gesetzt wurde und immer noch wird – unser aller Leben!
Darum warnt v. Dohnanyi vor allem seine eigene Partei und Regierung, die „vitalen Interessen Deutschlands“ nicht in falscher Bündnistreue zu ver­raten. Gerade jetzt, im Krieg, gilt für ihn noch einmal mehr (Sendung „Maischberger“, 11.5.22 ARD) Deutschland und Europa können „nur mit Russ­land Frieden finden, nicht gegen Russ­land.“
Während unser Bundeskanzler also gerade in der Gefahr steht, das mutige Erbe der Ostpolitik Willy Brandts zu verspielen und seinen Amtseid zu brechen, „Schaden vom Deutschen Volk ab(zu)wenden“, indem er einer selbstsüchtigen Großmacht wie den USA mehr dient als dem Friedensgebot unseres Grundgesetztes, liegt für seinen Partiekollegen von Dohnanyi ganz im Interesse Deutschlands (Zitat): „dass sich die transatlanti­sche Allianz und die NATO endlich von der Dominanz mili­tärischer Si­cherheitsüberlegungen“ löst, und eine „moderne, zeitge­mäße Si­cherheitsstrategie verfolgen.“ (ebd, Nationale Interessen, S. 215)
Wir brauchen also noch weitaus mehr als einen sofortigen Kriegs- und Waffenstopp, mehr als vorbehaltlose Verhandlun­gen auch mit einem Verbrecher, wenn es um das Heil und den Frie­den der Welt geht. Der Friede braucht auch eine Ordnung, eine neue, weltweite Friedens-Ordnung. Wir brauchen ein Umdenken in allen Bereichen unserer Gesellschaft, ei­nen Systemwechsel. Was heißt das konkret? Zwei Dinge möchte ich dazu am Ende beitragen.
1)             Wir brauchen zum einen eine neue Abteilung im Bundes-verteidigungsministerium, ein Vorschlag an Boris Pistorius. Die Abteilung für „Soziale Verteidigung“, die künftig vom Kindergarten über die Schulen bis in die Büros und Industriebetriebe hinein systematisch-staatlich bei uns organisiert und eingeübt wird. Jeder Aggressor soll künftig von vornherein wissen, dass er es bei uns mit einer Bevölkerung zu tun bekommen wird, die auch unter Übernahme von eigenem Leiden bereit ist, ein ganzes Land dauerhaft lahm zu legen, bis nichts mehr geht für den Besatzer. Gandhi hat das im englisch besetzten Indien praktiziert, mit langem Atem, aber letztlich erfolgreich, mit Schmerzen, ja, aber mit weit weniger als hunderttausenden Toten! Wie können wir dann eine solche Verteidigungsform ernsthaft ablehnen, wenn wir sie selber noch nie organisiert und versucht haben?
 
2)             Wir brauchen eine neue Schutzmacht gegen Agg­ressoren, aber eine Schutzmacht ohne eigene Machtinteressen, die einen Konflikt nur noch mehr aufheizen und verlängern wie jetzt in der Ukraine. Keine Großmacht kann und darf sich künf­tig als Weltpolizei aufspielen, und doch nur – gegen uns alle – ihr ei­genes Süppchen kochen. Wir brauchen eine starke internationale In­stitution, die in Zukunft allein das Recht und die Mittel hat, im Falle eines Angriffs schützende Gewalt im Namen der ganzen Völkerfamilie dieser Erde zu organisieren und auch wirksam auszuüben.
Das Völkerrecht auf Selbstverteidigung nur eines einzelnen angegriffenen Landes ist im Zeitalter modernen Waffen und Kriegsführung eine Far­ce geworden und eine Dauergefahr zur Eskalation. Von einem Einbruchsopfer wür­den wir doch auch nie erwarten, dass es den Dieb selber verfolgt, seine Beute selber zurückholt und ihn dingfest macht. Das macht bei uns die Polizei stellvertretend für die Opfer. Und das ist nur gut so!
Von der Ukraine erwarten wir dagegen, dass sie selber die Drecks-arbeit macht, mit unserer sogenannten „Hilfe“, während wir saubere Hände behalten wollen. Ich finde, das ist wirklich Feigheit und auch Schuld. Ich weiß nicht, wie es euch geht, liebe FriedensfreundInnen, ich finde diese Heuchelei je länger je mehr unerträg­lich. Und ich finde, wir können keiner Partei mehr unsere Stimme und Mitarbeit schenken, die das weiter mitträgt!
Das Recht zur Selbstverteidigung muss darum durch unser Einwirken  als Friedensbewegung auf alle politisch Verantwortlichen in allen Par­teien umgewandelt werden in den konsequenten Einsatz für eine Selbst-Verpflichtung der ganzen Völkerfamilie, gegen jeden Aggressor stellvertretend für die Angegriffenen einzutreten, ja, zur Not eben auch mit Gewaltmitteln, wie unsere Polizei im Inland. Das müssen wir akzeptieren. Aber eben mit solchen Mitteln, die auch dann nicht eskalieren und weiter allein ans Recht gebunden sind, statt an zweifelhafte und kontraproduktive Machtinteressen einzelner. Diese unabhängige, nicht selbstsüchtige Ordnungs-Macht kann künftig alleine die UNO, die Vereinten Nationen dieser Welt übernehmen und ge­stalten, eine andere Organisation haben wir nicht.
Wir Menschen können Frieden! Wir haben das Faustrecht im Inland gegen das Gewaltmonopol des Rechtsstaates eingetauscht. Und es geht uns weitgehend gut dabei. Wir achten das Gewaltmonopol des Staates weitgehend, weil wir alle dadurch einen Gewinn an Recht und Frieden haben, wenn auch gewiss nicht den ewigen Frieden, aber doch immerhin. Wir leben, statt uns die Köpfe einzuschlagen. Wir haben in der deutschen und europäischen Geschichte aus dem ewi­gen Krieg der Fürstentümer und Königreiche durch eine Kultur der nationalen und in­ternationalen Verträge gelernt uns zu vertragen.
Doch global herrscht ausgerechnet im Zeitalter der Globalisierung immer noch das stein­zeitliche Faust-Recht der Großmächte. Das kann und darf nicht so bleiben, wenn wir als Menschheit überleben wollen, gerade in Zeiten des Kli­mawandels und seiner längst absehbaren Folgen:  Flüchtlings­wellen, Streit um Land, Wasser und Ressourcen, Dürren, Über­schwemmungen und Ernteausfälle. Gerade aber im Blick auf die Klimakrise haben wir jetzt eine besondere Chance für einen Systemwechsel!
Die Groß­mächte könnten besonders von Deutschland und Europa aus bewegt und ermutigt werden, das al­leinige Gewaltmonopol künftig der UNO zu übertragen, weil die Großmächte dadurch selber von ihren irrsinnigen Rüstungsausgaben entlastet würden, Kräfte und Mittel einsparen und freischaufeln könnten, um die dramatischen Folgen des Klima­wandels bei sich selbst sozial, ökologisch und wirtschaftlich abzufe­dern und so einen Sicher­heitsgewinn für sich selbst entdecken! Ich finde darum, Michael Schuck hat soeben recht zitiert: „Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ (V. Hugo) Wir stehen tatsächlich vor einer menschheitsgeschichtlichen Weichenstellung, auch für die Idee einer neuen, an internationales Recht statt an eigennütziger Macht gebundenen Friedensordnung! Das ist zivilisatorisch jetzt einfach dran. Und ich bin gewiss, dass die Parteien, die das zuerst begreifen und auch glaubwürdig umsetzen, zu Hoffnungsträgern vieler, vieler Menschen werden!
Noch ist Zeit, diese Vision ins politische Spiel zu bringen, aber nur, wenn wir uns auch als Friedensbewegung besser vernetzen, organisieren und uns auf diese konkreten Ziele fokussieren, auch hier in Emden!
Und selbst, wenn die Zeit nicht mehr reicht, sind wir es dennoch unserer eigenen Würde als Mensch schuldig. Unsere Kraftquelle ist nicht der Erfolg. Unsere Kraftquelle ist das immer greifbare Gute, das was einzig bestand hat in der Geschichte, die Güte, der eine, ungeteilte, gerechte Frieden für alle.  
Ich möchte darum mit einem Wort von Anjte Vollmer schließen, der jüngst verstorbenen großen Seele der Grünen Partei. In ihrem letzten Essay fragt sie verzweifelt: „Was hat die heutigen Grünen verführt, …ihre wertvollsten Wurzeln als lautstarke Anti-Pazifisten verächtlich zu machen?“ Und sie schließt mit der Vision unseres alten, guten Freundes Jesaja: „Wer die Welt wirklich retten will, diesen kostbaren, einzigartigen, wunderbaren Planten, der muss den Hass und den Krieg gründlich verlernen.“ (vgl. Jes 2,4)
 
Ich danke Euch fürs Zuhören und wünsche uns allen in diesem Sinn: Frohe Auferstehung aus den Gräbern der Gewalt in ein wirklich neues Leben!

Andacht für den Gemeindebrief der Ev.-ref. Gemeinde Emden, Sommer 2022:

„Jubeln sollen die Bäume des Waldes vor dem Herrn, denn er kommt, um die Erde zu richten.“ 1. Chronik 16,33

Gedanken zum Monatsspruch August 2022 von Bert Gedenk

Liebe Gemeinde,

Sommerzeit – Jubelzeit! Die Natur in voller Pracht, ja Freude! Der grüne Wald ein einziges Gotteslob! Jubelzeit auch für uns Menschen? Wie schön wäre das! Zu singen: „Geh aus mein Herz und suche Freud!“ – Doch im Harz singt der verdorrte Wald sein Totenlied. Klimawandel. Herrenmensch lässt grüßen! In der Ukraine tötet ein verbrecherischer Kriegs-Herr ungezählte Menschen, verkohlte Städte und Natur. Was kann sich aus der Gewalt und Gegengewalt noch alles zusammenbrauen in diesem Sommer? Krisenstimmung überall. Sommerjubel will so kaum aufkommen.

Ich lese den Vers der Chronik erneut. Nicht der Sommer ist Grund zum Jubel, sondern Gottes Gericht über seine Erde! Endlich spricht mal Einer Recht! Sagt, was hilft und wo es lang geht! Klares Gottesrecht statt unserem Meinungs- und Paragraphennebel. Aber kein Strafgericht! Wenn Gott Gericht hält, richtet er nicht(s) zugrunde, er richtet vor allem auf! Bringt Menschen und Schöpfung wieder zu­recht, versöhnt Gewaltopfer und Gewalttäter. Wann kommt Dein Gericht end­lich, Gott?! Uns regieren so viele Lügen!

In Moskau lehrt der Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche, Putins Angriffskrieg gegen den „dekadenten Westen“, wo homosexuelle Paare gesegnet werden, sei „gerecht“. Wie Putin, bezeichnet auch er den Krieg vor den russischen Soldaten als gottwohlgefälliges „Liebesopfer für seine Freude“ (vgl. Joh 15,13).  

Zeitgleich predigt der Primas der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, dass Töten zur Verteidigung „keine Sünde“ und von der Kirche „abgesegnet“ sei.  Es brauche da auch „keine Beichte“, glaubt ein anderer ukrainischer Geistlicher zu wissen. Töten als „gute Tat“?

Ja, das Völkerrecht erlaubt der Ukraine, sich gewaltsam zu verteidigen. Aber auch das unverzichtbare Völkerrecht ist noch lange kein Gottesrecht! Ich fürch­te, beide Kirchenlager werden vor Gottes Gericht nicht bestehen.

Denn der gekreuzigte und auferstandene HERR der Kirche ist allein das Gericht Gottes über seine Erde! Dieser Richter lehrte und lebte: „Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert ergreift, wird durch das Schwert um­kommen.“ (Mt 26,52) Das sagt Jesus nicht zu einem gewalterprobten römi­schen Besatzungssoldaten, sondern zu einem Freund, der ihn bei seiner Verhaf­tung vor den Römern mit Gewalt retten will! Ähnliche „Rettung“ versucht man z.Zt. in der Ukraine.

Doch ob wir wollen oder nicht: Jesus – und nur ER hat in der Kirche das Sagen – lehnt selbst diese vermeintlich oder tatsächlich rettende Gewalt ab! Der Richter der Welt nimmt lieber alle Gewalt der Welt auf sich als selber durch Gewalt zu (über-)leben. Das allein ist Gottes Gericht über die gewaltverseuchte Erde und Menschheit! Nicht Gewalttätern das Genick brechen, sondern die Gewalt selbst töten, indem ER sie durch sein freiwilliges Leiden ins Leere laufen ließ und so ihre tödliche Dynamik entmachtete. Sollte es uns nicht überaus stutzig machen, dass ausgerechnet ein römischer Offizier und gewalterfahrener Kriegsheld unter dem Kreuz Christi erkannte: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen.“? (Mk 15,39) Und eben nicht sein oberster Regent und Befehlshaber in der Hauptstadt?

Jesus verurteilt Gewalt zur Verteidigung aber nicht einfach im moralischen Sinn. Unser Urteil über die militärische Gegenwehr der Ukraine sollte darum auch zurückhaltend sein, wir erleiden den Krieg ja nicht direkt. Bei unseren Waffen-lieferungen dorthin sieht das aber schon ganz anders aus. Denn Jesu führt uns mit seinem Wort die mehr als wahrscheinlichen Konsequenzen auch einer gewaltsamen Verteidigung vor Augen: Schwert gebiert immer nur neue Schwerter und Tod. Gewalt kann und wird immer nur neue Gegengewalt erzeugen, neues Leid, neues Unrecht, noch mehr Zerstörungen und neue Gründe für den Gegner, jetzt erst recht zurück­schlagen zu können.

Diese endlosen Spiralen unserer Gewalt hat Jesu sichtbar gemacht, sie als „Hölle“ entlarvt und durch eigenes Leiden tatsächlich durchbrochen, überwunden, und damit allen Gewaltgläubigen zu allen Zeiten ein neues Bild von sich selbst geschenkt: „Du kannst auch anders, Mensch! Immer!“ – Ist es nicht tatsächlich so? 

Wenn wir Menschen wirklich wissen wofür, können wir selbst größte Opfer er­bringen, echte, gewaltfreie „Liebesopfer“ also. Und überaus wirkmächtig dazu!

Mahatma Gandhi hat ganz Indien durch leidensfähigen und gewaltfreien Wi­derstand vom damals übermächtigen britischen Imperium befreit. Nicht schnell, aber dafür umso nachhaltiger!

Im Oktober 1989 sind in Leipzig 70000 Menschen aus Kirchen und Häusern heraus solidarisch auf die Straßen gegangen, mit Kerzen, Gesang und Gebeten, und mit dem heiligen Schwur: „Keine Gewalt!“ – „Mit allem haben wir gerechnet“, sagten die Militärs damals, „aber damit nicht!“ Sie fanden einfach keine Rechtfertigung, ihre Panzer wieder rollen zu lassen wie am 17. Juni 1953. Die DDR war frei – weil Gewalt-frei!

Amsterdam ist heute noch eine blühende und vielbereiste Touristenattraktion, obwohl der deutsche Angriffskrieg schon im Mai 1940 auch über die Niederlande rollte, aber ohne große Gegenwehr. Waren die Niederländer nur feige oder eher weise und besonnen? Vie­le Städte der Ukraine liegen dagegen schon nach wenigen Wochen Krieg für Jahrzehnte in Schutt und Asche.

Nein, es wäre zynisch, der Ukraine für Putins Verbrechen die Schuld zu geben. Und dennoch stellt der Vergleich uns alle vor die Frage, welche aktive Gegenwehr vom Ende her und von Gottes Gericht her betrachtet Land und Leute mehr schont und neue Versöhnung stiften kann…

Wir können den Menschen in der Ukraine den Weg des Kreuzes nicht vor­schreiben. Er muss wie immer in freier verantwortlicher Tat und im Vertrauen allein auf Gott und seine Auferstehungsmacht ergriffen werden. Aber wenn wir die weiter drohende Eskalation verhindern, Putins Macht gewaltfrei schwächen und ihn an den Verhandlungstisch bringen wollen, werden wir ihm sein Öl und Gas nicht mehr abkaufen, ein Geschäft, mit dem wir täglich (!) Millionen neue Euros in seine Kriegs-kassen spülen!

Das Kreuz „auf sich nehmen“, kann dann für uns bedeuten: Bewusster Verzicht auf Wohlstand, autofreie Sonntage, Energie drosseln, wo es nur geht, steigende Arbeitslosigkeit und steigende Preise und zur Not auch frieren im Winter, Frie­ren für den Frieden! Und bereit sein, alles mit den dann besonders Notleiden­den zu teilen! Das wäre in ganz Europa ein Beitrag zum kollektiven und gewaltfreien Widerstand gegen Putins Gewalt und gewiss nach Gottes Recht und Gericht. Sind wir dazu bereit?

Lasst uns alle beten und arbeiten bis ganz Europa neu sieht und singen kann:

„Jubeln sollen die Bäume des Waldes vor dem Herrn, denn ER kommt, um die Erde zu richten.“ 

Ihr Bert Gedenk