Passionsandacht – Gut wieder hier zu sein

Ihr Lieben,

Was für ein passendes Motto zu Anfang  unserer Passionsandachten 2020, haben wir überlegt, als wir uns diese Andachts-Reihe geplant haben. So ist das doch immer in dieser Zeit. Jeden Abend kommen wir in unseren Andachten mit unsren Fragen, Wünschen, auch Zweifeln und Bitten zusammen. Und auch, wenn wir uns derzeit nicht versammeln dürfen, so bleiben wir ja in Gedanken und im Gebet miteinander verbunden, wissen uns verknüpft als ein Netz, dass auch die stärkste Anfechtung aufhalten kann. Wie in diesem afrikanischen Sprichwort: Ein Spinnennetz hält selbst einen Löwen auf!“ Denn mit unserem Herrn in der Mitte und verbunden untereinander, wen sollten wir da fürchten?!

So kommen wir zwar nicht in der Grönen Stee zusammen, aber unsere Gedanken sind frei, sich überall  zu versammeln, wenn sie ausgehen von dem guten Hirten, der uns durch jedes dunkle Tal an die Grönen Stee (grüne Wiese) führt, die Weide, auf deren Grund der Gerechtigkeit wir Wurzeln schlagen können. Denn es ist nicht gut, alle Gefahren nur auf sich selbst gestellt überstehen zu wollen. Man wird schnell wie ein einsamer Baum von den Stürmen des Lebens zerzaust und droht abzubrechen oder entwurzelt zu werden. Wenn wir aber mit Freund*innen und Glaubens-Schwestern und –Brüdern wie ein Wald zusammenstehen, dann können wir die Heiterkeit des Lebens teilen und so verdoppeln. Und wir können die Schmerzen teilen und es wird erträglicher, weil ein anderer mit mir die Last trägt.

Als einzelner Baum hörst Du nur Deine eigenen Blätter rauschen und wenn du vor Angst zitterst, findest du bei dir kein Blatt, aus dem du  Hoffnung lesen kannst. Dann scheint deine eigene Hoffnung verloren zu gehen. Und nicht wahr, wie schnell geraten wir, wenn wir uns nur um uns selbst kreisen, in unserer Müdigkeit und Trägheit in einen Strudel, der uns immer tiefer in den Abgrund zieht. Und verfallen dann  der Hoffnungslosigkeit. Im Wald dagegen, mit anderen Glaubensgeschwistern  findest du immer einen Baum, dessen Jahresringe Geschichten erzählen von dem Gott, der keines seiner Geschöpfe aus der Hand fallen lässt. Und, vielleicht zunächst kaum zu spüren,  bekommt die Hoffnungslosigkeit doch schon  langsam einen Riss und frisches Grün keimt auf. Darum wollen wir uns nicht im Kreise drehen. In der Gemeinschaft mit anderen können wir von uns absehen und Distanz zu uns selbst finden, können uns unterbrechen, um den anderen wahrzunehmen. Vielleicht geht es uns dann wie dem jungen Mönch, der seinem älteren Klosterbruder klagt:“ Ich kann nicht mehr glauben. Und beten kann ich auch nicht mehr! Bitte befreie mich von dem Gottesdienst. Ich kann da nicht mehr hingehen, denn mein Gebet fühlt sich wie eine Lüge an und mein Herz ist starr!“ Der Ältere schweigt eine Weile. Dann antwortet er: „Wenn Du schon nicht beten kannst, dann gehe doch hin und schaue zu, wie deine Brüder beten!“ 

Was für ein weiser Rat. Hätte der Alte den Jungen gezwungen, was hätte es gebracht? Der Junge hätte sein Gebet weiterhin wie eine Lüge empfunden.  Aber ihn in seiner Hoffnungslosigkeit und Trostlosigkeit auf sich allein gestellt zu lassen, das wäre ebenso der Untergang des jungen Mönches gewesen. Denn es gibt Stationen im Leben, da bleibt einem das Gebet im eigenen Halse stecken und wir drohen an der Schwere der Stunden zu ersticken. Dann brauchen wir die anderen, die für uns seufzen, die  uns Sprachhilfe geben. Worte, damit wir uns Luft machen können, so dass wir uns nicht an der bitteren Lebensklage verschlucken.  Wer sich nur um sich selbst dreht, dem wird die Sicht der Dinge zur alleinigen Sicht und Wahrheit. Im Wald mit anderen ist das nicht so. Ich brauche  zwar meine Wahrheit nicht sofort aufzugeben. Aber ich habe die Chance, meine Sicht mit den Blickwinkeln der anderen zu vergleichen. Und da könnte es ja sein, dass die eigene Wahrheit durch die Kraft der Geschwister weiter, offener und leichter wird. Oder, um es mit Konstantin Weckers Lied zu sagen: „Soll mein Denken zu etwas taugen, will ich versuchen mit euren Augen die Sicht klarer zu sehen!“

Oft tut schon ein Perspektivwechsel  gut. Z.B. sehen wir die Welt schon mit anderen Augen, wenn wir uns in der Gemeinde an die vielen Geschichten der  einfachen, vom Leben gebeutelten kleinen Leute zu erinnern: an die Oma, die  jedes frisches Brot vor dem Anschnitt mit einem Kreuz segnete, weil das tägliche Brot nicht selbstverständlich ist. An den alten Küster von Conrebbi, der in der Nazi-Zeit den Mächtigen die Stirn geboten hat und unter Einsatz seines Lebens Verfolgte über die Grenze in die Freiheit  geschmuggelt hat, weil er an den Gott glaubte, der jegliche Angst überwunden und Geringster unter den Geringsten geworden ist. An die Krankenschwester, den Pfleger, der sich  in diesen Tagen so unermüdlich  gegen die Viren stellt, weil sie Gottes Kraft vertrauen, die uns Menschen bewegt, den Menschen Helfer zu sein. Viele drehen sich Gott sei Dank nicht im Kreis, sondern brechen aus ihrem Kreis aus. Denn was wir dem Geringsten unter uns geben, das geben wir unserem Herrn.

Andersherum so sagt Fulbert Steffensky, ist  es die „höchste Form der Verblödung, sich selber  Ziel und Endpunkt“  sein zu wollen, wenn wir  also nichts anderes mehr wahrnehmen als nur uns selbst und für nicht anderes einstehen als für uns selbst. Wo solche Entsolidarisierung hinführt, das können wir leider nur zu gut in diesen Tagen an den Hamsterbacken sehen. So soll es unter uns nicht sein! Freunde, für uns gilt: Es ist gut, mit anderen verbunden in der Gemeinde Jesu Christi verwurzelt zu sein. Mit unseren Wünschen und unseren Fragen fühlen wir uns nicht allein. Wir wollen uns  in die Geschichten von anderen hüllen, wenn wir frieren. Wir können auch an uns  Geschichten entdecken, die unser Leben selber schreibt. Denn ich bin sicher, als Gemeinde zusammen entsteht  ein ganzes Buch. So können wir fest  zusammenstehen und im Gebet die Stimme zum Dank  erheben,   oder  zum Prostest,  zur Bitte, zur Freude am Leben.  Gut, zusammen zu sein!

AMEN